Sydney, Australia 2009
The Liturgical Year: the Gospel encountering our time- The Liturgical Year: The Gospel Encountering our Time.
- Das Liturgische Jahr – Das Evangelium begegnet unserer Zeit
BERICHT
XXII. Kongress der Societas Liturgica in Sydney, August 2009
Fast 200 Teilnehmer aus 29 Ländern trafen sich vom 10.-15. August 2009 in Sydney für den ersten Kongress der Societas Liturgica, der in der südlichen Hemisphäre stattgefunden hat. Der Schauplatz des Treffens war unverkennbar: zur Begrüßung wurden die Teilnehmer durch Älteste der Aborigines mit einer Rauchzeremonie willkommen geheißen, es gab eine Darbietung einheimischer Musik durch die „Vocal Song Group“, Exkursionen zum Opernhaus von Sydney, zur Art Gallery sowie zur Gruft von Mary MacKillop und eine Erkundungstour durch den Hafens aus der Perspektive der Ureinwohner, bevor sich alle Teilnehmer am Ende des Tages zu einem australischen Barbecue inklusive Buschband trafen. Die Gottesdienste des Kongresses bedienten sich der Werke australischer Komponisten und die Eucharistiefeier wurde vom Präsidenten, James Puglisi, in der atemberaubenden zeitgenössischen Kathedrale von St. Patrick in Parramatta zelebriert. Das Rahmenprogramm des Kongressbanketts wurde von australischen Feuerwehrmän- nern mit ihren Sirenen und Sängern von „Opera Australia“ gestaltet. Vor dem Hintergrund der australischen Kultur wurde unser Blick für das Thema des Kongresses geschärft, welches sich auf die Wahl des Austragungsortes bezog: „Das Liturgische Jahr – Das Evangelium begegnet unserer Zeit“. Es ist weithin bekannt, dass in der südlichen Hemisphäre das Weihnachtsfest in den Hochsommer und Ostern in den Herbst fällt. Aber was bedeutet dies für unsere Auffassung des liturgischen Jahres, seine Ursprünge und seine Feiergestalt?
In seiner Ansprache am Eröffnungsabend hat Präsident JAMES PUGLISI die Bedeutung der Sozialwissenschaften für das Verständnis der Liturgie hervorgehoben, da sie helfen den Kontext zu verdeutlichen, in dem Liturgie gefeiert wird und der eine große Rolle für die Konstruktion einer lokalen Theologie spielt. Die verwendeten Texte werden als Teil des Ereignisses wahrgenommen und müssen deshalb interpretiert und angepasst werden, damit sie ihre Bedeutung zu entfalten können. Das liturgische Ereignis befindet sich somit an der Schnittstelle zwischen Raum und Zeit, wodurch es dem Theologen ermöglicht wird, eine lokale Theologie zu entwerfen, die aus der jeweiligen Kultur erwächst. Professor HARALD BUCHINGER aus Regensburg stellte den status questionis vor, in dem er eine kritische Reflektion und Einschätzung der gängigen Theorien zum Ursprung der Zyklen von Ostern und Weihnach- ten vornahm. Er legte uns eindringlich nahe, die historische Perspektive zu berücksichtigen und durch die Erforschung der gelebten Erfahrung religiöser Feiertage (in Form von Musik, Kunst und Schauspiel) unser Verständnis zu erweitern. Abschließend stellte er allgemeine Fragen zu einer fundamentalen Theologie der Liturgie zur Diskussion, wie z.B. die Muster der Entwicklung in der Geschichte der Liturgie, das Zusammenspiel von biblischer und liturgischer Hermeneutik, die christliche Auffassung von Feiertagen und die Zusammenführung von Anamnese und
Mimese sowie der historische Primat der Theologie bzw. der litur- gischen Feiergestalt.
ANSGAR CHUPUNGCO ist als Theologe für seine Arbeit zur Inkultura- tion von Liturgie berühmt und untersuchte in seinem Vortrag, wie un- sere Kultur die Feiergestalt von Ereignissen im liturgischen Jahr prägt. Das liturgische Jahr ist nicht weniger als die Leibhaftigkeit Christi in un- serer Mitte: von Sonntag zu Sonntag, von Weihnachten bis Ostern. Ostern im Herbst, Weihnachten im Sommer oder eine Woche, die um den Tag des Herrn herum strukturiert scheint – das liturgische Jahr ist an sich die Konsequenz aus der Begegnung des Evangeliums mit der Zeit und Jahreszeiten, der menschlichen Geschichte und der Kultur und den Traditionen der Menschen.
Drei australische Beiträge präsentierten Überlegungen zum Verhältnis von Liturgie und Zeit aus ihrer lokalen Sicht. ANITA MONRO bezog sich auf die Ansätze Gordon Lathrops und stellte Bedeutungsgenerierung als eine gleichgeordnete Anstrengung aus binärer und dualer Interaktion dar. Außerdem fragte sie nach dem Ergebnis der Nebenein- anderstellung des christlichen Ordos und der australischen Umgebung. Als Beispiel führte sie die Ambiguität des weihnachtlichen Lichtzyklus im grellen Schein der australischen Sommersonne an und schlug daraufhin vor, dass in der australischen Liturgie stärker auf die einzigartige, span- nende und gefährliche Nebeneinanderstellung von Ordo und Umge- bung geachtet werden müsse. TOM ELICH konzentrierte sich auf die römische Euchologie in den frühen Sakramentalen und ihre patristische Katechese. Er führte aus, dass die Aufgabe der liturgischen Inkulturation nicht nur auf der Ebene der liturgischen Texte stattfindet (anstatt australische Texte zu verfassen, wird die Tradition aufrechterhalten und auf die Gegebenheiten von Raum und Zeit angewendet); vielmehr erfährt die Inkulturation auf der Ebene der tatsächlichen liturgischen Praxis ihre Relevanz und ist unausweichlich mit den Menschen, dem Klima und den Riten zum Leib Christi im hier und jetzt verknüpft. CHARLES SHER- LOCK erläuterte die recht spezielle australische Tradition des Anzac- Tages. In seinen Ausführungen betonte er, dass das österliche Symbol der Morgendämmerung und das Morgenritual am Anzac-Tag die Un- terschiede zwischen Anamnese und Mimese gut verdeutlichen kann. Gegen Ende des Kongresses führte DAGMAR HELLER die Teilnehmer in ihre Überlegungen zur Spiritualität der Zeit in Zeiten der Globalis- ierung ein: Was ist Zeit und wie erfahren wir sie? Auf dieser Frage aufbauend untersuchte sie die zyklischen und linearen Wahrnehmungen von Zeit in der Geschichte und die Art und Weise, mit der die Zeitnahme eine Kluft zwischen der absoluten bzw. objektiven und der subjektiven Zeit gerissen hat. Eine christliche Wahrnehmung von Zeit führt uns in eine andere Dimension, da die Spiritualität die Zeit in Rela- tion zu Gott setzt. Somit werden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammengebracht und auch im Paschamysterium ersichtlich. Diese Form des Sich-der-Zeit-Enthebens relativiert den Druck des täglichen Lebens.
Abschließend fügten zwei Dutzend Case Studies das besondere Etwas für die Teilnehmer hinzu. Der XXII. Kongress in Sydney war ein gutes Beispiel für die gelungene Kombination jeder Veranstaltung der Societas Liturgica: seriöse Forschung, die Kameradschaft der Liturgiewissenschaftler aus den verschiedenen Traditionen und nicht zuletzt die Freude an Musik, gemeinsamen Mahlzeiten und neuen Erfahrungen „down under“.
Tom Elich